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Pressekonferenz in Kiel - 31 betroffene Menschen davon 12 Tote - und viele Fragen


Schicksal? - Wir dachten, wir hätten es "im Griff"

Ein Kommentar zur Pressekonferenz in Kiel vom 26.01.2015 von Patientenanwalt Dr. Burkhard Kirchhoff



Am 26.1.2015 fand in Kiel eine Pressekonferenz im Klinikum statt. Teilnehmer waren Prof. Dr. Scholz, die zuständige Gesundheitsministerin, ein Vertreter des örtlichen Gesundheitsamtes und Dr. Bärbel Christiansen als für das Haus zuständige Hygienikerin. Zusätzlich saßen - neben weiteren - am Tisch Prof. Kempf, Universität Frankfurt und Christian Brandt, Frankfurt. Herr Kempf soll - nach von uns nicht prüfbaren - Pressemitteilungen erst am Montag angereist sein, also am Tag der Konferenz. Bereits wenige Stunden später - um 17 Uhr - stand Professor Kempf der Öffentlichkeit Rede und Antwort - mit der Klinikleitung. Prof. Popp hat zum Fall der toten Frühchen in Bremen die Klinik - damals im Auftrag der Staatsanwaltschaft in Bremen - Tage besichtigt, die Abläufe und Ausstattung geprüft und "jeden Stein" umgedreht. Danach hat er ein mehr als 300 Seiten umfassendes Gutachten vorgelegt. Diese Arbeit sollte auch in Kiel gemacht werden - soweit noch nicht geschehen.


Der Verlauf der PK in Kiel lässt bei uns die Frage aufkommen, ob die Betroffenen eine kritische, objektive und von den Klinikinteressen und politischen Belangen der zuständigen Ministerin unabhängige Aufklärung des Verlaufes und der Frage der Vermeidbarkeit des Todes von Menschen in Kiel erwarten dürfen. Die Staatsanwaltschaft hat nach Mitteilung des Klinikleiters um die Akten gebeten. Einen "Anfangsverdacht" - das betonte Herr Professor Scholz - sehe die Staatsanwaltschaft aber nicht.


Wie kann ein Klinikleiter das zum jetzigen Zeitpunkt wissen?


Die Staatsanwaltschaft Kiel müsste aus unserer Sicht sofort die elementaren Unterlagen zur Dokumentation der behaupteten Einhaltung der KRINKO-Empfehlungen und die Akten verstorbener Patienten - wenn die Rechtslage dies zulässt - beiziehen und objektive Kräfte mit der unabhängigen Klärung beauftragen.


Im Zuge der Pressekonferenz forderte der Klinikleiter Prof. Scholz sinngemäß keine vorschnellen Schlussfolgerungen und ad hoc Reaktionen. Damit hat er Recht, erst müssen Tatfragen geklärt und organisatorische und medizinische Zusammenhänge geprüft werden. Der Klinikleiter selbst hingegen schloss aber einen Zusammenhang zwischen der augenscheinlich recht hohen Zahl von internen Hinweisen im Klinikum und den Infektionsfällen aus. Auch insoweit stellen sich schwierige Fragen, Herr Kempf als Experte für Klinikhygiene und Mikrobiologie ist aber nach Medienberichten erst am Tage der Konferenz angereist. Wie kann ein Klinikleiter - der weder Facharzt für Hygiene noch Mirkobiologie zu sein scheint - sicher sein und das Schicksal bei diesem Verlauf erwähnen, nachdem man Anfang Januar dachte, man habe die Dinge "im Griff", 12 Menschen - wenn auch bei bisher nicht geklärtem Zusammenhang - gestorben sind und bisher insgesamt 31 Menschen (incl. der verstorbenen Patienten) besiedelt oder infiziert sind ?


Der für die Beurteilung der Grundleiden des Großteils Verstorbener mit Keimnachweis wichtige Aspekt der Negativqualität dieser Grundleiden wurde in der PK nicht aufschlussreich besprochen, die berechtige und wichtige Frage eines sachkundigen Journalisten nach der Anzahl der Infizierten - von 31 Patienten - wurde nicht beantwortet. Stattdessen verlor sich die PK oft in allgemeinen Argumenten, die aus unserer Sicht - teilweise und in der jetzigen Situation - den Angehörigen gegenüber unangemessen waren. Keimfreiheit in einer Klinik sei nicht herzustellen - darum geht es nicht. Kempf lobte die "sensitiven Verfahren am Start". Diese darf man erwarten, nachdem 31 Menschen von einem hoch problematischen Bakterium betroffen waren und zum Teil noch sind.


Herr Scholz führte allgemein und ohne konkrete Differenzierung mit Fallbezug sinngemäß aus, bei Patienten könne das Grundleiden so weit sein, dass der Keim am Ende noch "oben drauf" komme. Soll damit angedeutet werden, dass ein schwer kranker Patient, bei dem in der Blutbahn ein weitgehend resistenter Baumannii Stamm nachgewiesen wird, sei dann sicher nicht an diesem Keim gestorben? Diese Argumentation wäre klassisch unkonkret. Die von der Staatsanwaltschaft Kiel mit allen zulässigen Mitteln des Rechtsstaates zu klärende Frage lautet:


Wäre der unter Umständen schwerkranke Patient auch ohne den gefährlichen Keim "oben drauf" unter diesen Umständen und an diesem Tag verstorben? Wie wäre der Verlauf - bei Patienten mit Nachweis des Bakteriums im Blut - ohne Infektion mit einem Problem-Bakterium gewesen?


Scholz formulierte dann auch Zweifel, ob man die Frage der Kausalität klären könne. Dazu sollten sich unabhängige Intensivmediziner und Sepsis-Behandler erklären, Mutmaßungen vom Leiter einer durch einen Ausbruch im Focus stehenden Klinik sind unangebracht. Die Akten betroffener Patienten zu diesen Fragen müssen fachkundig und unabhängig ausgewertet werden. Dabei sind weniger abschließende Berichte als vielmehr konkrete Befunde, Laborparameter, Hinweise auf Infektionszeichen und Aspekte der Behandlung zu berücksichtigen. Erst dann kann man sicher wissen, ob der resistente Keim nur "oben drauf" kam.



Warum kam es zur Besiedelungen oder Infektionen bei 31 Menschen - obwohl nach Ansicht der Klinik die geltenden, in Deutschland inzwischen strengen Vorschriften umgesetzt werden und die Personalstärke - trotz mehr als 1.800 Gefährdungsanzeigen laut Verdi - ebenfalls der Gesetzeslage entspricht?


Generell sehen wir die Heranziehung von Experten durch betroffene Kliniken selbst in der Ausbruchssituation für sinnvoll an, um den Ausbruch zu beenden. Die Klinikleitung, die herbei gerufenen Experten oder Vertreter des örtlichen Gesundheitsamtes sind aber nicht die Instanz, die berufen ist, um die Frage eventueller Verantwortlichkeiten zu klären, dies gilt generell und auch wenn es nach Verdi Hinweise von Mitarbeitern gegeben haben soll. Da hilft auch der - erneut unangebrachte - Hinweis des Klinikleiters nichts, Verdi sei - sinngemäß - ein Dritter, sozusagen außenstehend. Verdi dürfte die Gewerkschaft sein, in der die Mehrzahl der engagierten Mitarbeiter der Klinik Mitglied sein dürften. Diese Menschen haben sich Gedanken gemacht und Bedenken formuliert und ein Klinikleiter sollte nach dem ungeklärten Tod von Menschen durch einen resistenten Keim diese Hinweise Verdis berücksichtigen.


Wir befürchten bei der Heranziehung von Experten durch Kliniken selbst nach Ausbrüchen, dass Hemmschwellen oder falsche Zurückhaltung entstehen könnten. Auf die Erkenntnisse der Kommission Wahrheitsfindung in Rotterdam zur Aufarbeitung des dortigen Ausbruchs und den Folgen auf unserer Webseite www.mrsa-arzthaftung.de wird - allgemein und ohne einen Bezug zu dem noch offenen Verlauf in Kiel herstellen zu wollen - hingewiesen. Objektive Aufklärung nach künftigen Infektionsausbrüchen in Deutschland sollte immer ohne jeden Einfluss der Politik, der Klinikleitung, des örtlichen Gesundheitsamtes und der von der Klinik selbst herbei gerufenen oder in einzelnen Fällen sogar von diesen bezahlten Experten erfolgen.


Nach Ausbrüchen reichen uns Standard-Floskeln zur Schicksalhaftigkeit von Infektionsgeschehen nicht. Die sinnhafte Frage nach der sehr wichtigen Bestimmung des Risikoprofils nach neuem Infektionsschutzgesetz und Beschäftigung der der Landes-Verordnung entsprechenden Anzahl an Hygiene-Fachkräften - die in der jeweiligen Klinik auch ausreichend Zeit für ihre wichtige Arbeit haben müssen - wurde von dem erwähnten sachkundigen Journalisten als eine von mehreren Fragen gestellt, aber leider auch nicht konkret und unter Angabe von Zahlen beantwortet.


Nach Darstellung von Frau Christiansen wurde der Patient aus der Türkei - der angeblich und bisher für uns noch nicht öffentlich mikrobiologisch belegt - den Keim eingeschleppt haben soll gescreent. Das Screening bezog sich nicht nur auf MRGN sondern auch auf Keime wie MRSA usw. - war also scheinbar breiter angelegt. Diese Methoden des Screenings brauchen Zeit, augenscheinlich wurde der Patient aber gleichwohl aufgenommen, obwohl ein Einzel-Isolierzimmer nicht zur Verfügung gestanden haben soll.


Warum hat man den Patienten dann aufgenommen?


Gab es keine andere, bereite Einrichtung? War die Aufnahme in dieser Klinik zwingend? Wer wurde in das Screening einbezogen?


Viele Fragen bleiben für uns offen. Eine externe und von Klinikinteressen - sicher und komplett - unabhängige Kommission sollte eingesetzt werden.


RA Dr. jur. Burkhard Kirchhoff

Patientenanwalt


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